Vom Wirtschafttechnokraten zum Libertären

Wie in Beiträgen auf Freiheit und Optimismus bereits angedeutet glaube ich, dass Liberale einen anderen Zugang zur Welt haben als Linke oder Konservative. Den Konservativen und den dominierenden Varianten der Linken ordne ich ein Denken in Zweckkausalitäten zu, d.h. sie interessieren sich vor allem für die Ziele die im Politischen Kampf verfolgt werden und glauben, wie die Welt eingerichtet sei, entscheidet sich durch die Kräfte, die in diesem Kampf dominieren. Die politische Realität sei also eine Folge der Zwecke. Ein Beispiel für diese Denkweise ist z.B. der Kommentar der irgendwann einmal auf B.L.O.G. fiel, dass die technischen Berufe den Verlauf des Technischen Fortschritts bestimmen könnten.

Den Liberalen hingegen ordne ich ein Denken in Wirkungskausalitäten zu. Sie interessieren sich dafür wie etwas geschieht, also vor allem mit welchem Mitteln Ziele verfolgt werden. Diese Vorgehensweise haben sie mit ihrem politischen Gegenpol den Technokraten gemein.

Der Unterschied zwischen beiden Denkstilen kann an der Frage nach dem Mindestlohn verdeutlicht werden. Ein Konservativer oder Linker wird bei der Frage ob ein Mindestlohn eingeführt werden soll zunächst überlegen, ob sie das Ziel dieser Maßnahme unterstützen; ein Liberaler oder ein Technokrat fragen sich dagegen wie sich der Mindestlohn auswirkt.

Im Folgenden werde ich beschreiben wie sich das politische Denken entwickelt, wenn man von Angang seiner politischen Entwicklung an in Wirkungskausalitäten denkt. Diese Entwicklung ist eher die Ausnahme. Liberale beginnen meist als Anhänger einer anderen Weltanschauung, die wegen dem Scheitern ihrer Ideologie dazu übergehen auch Wirkzusammenhänge in ihr Denken miteinzubeziehen.

In einem naiven Entwicklungsstadium werden Liberale und Technokraten nicht viel darüber nachdenken nach welchen Gesichtspunkten sie eine Maßnahme bewerten. Entweder sie bedienen sich eines unreflektierten Utilitarismus oder übernehmen die gesellschaftliche Mode. Im Vordergrund steht der Versuch sich die Kenntnisse anzueignen, die man zur Bewertung politischer Maßnahmen braucht, d.h. vor allem Ökonomie. Typisch für dieses Entwicklungsstadium ist dass man Makroökonomie für die reine Wahrheit hält und Sätze, die mit „Es liegt kein optimales Gleichgewicht vor“ beginnen, mit „also muss der Staat eingreifen“ zu beenden. Linke und Konservative bezeichnen dieses Denken als neoliberal, wirtschaftstechnokratisch halte ich jedoch für sehr viel passender.

Einem Wirtschaftstechnokraten werden mit der Zeit zwei Dinge auffallen. Erstens dass er bei den meisten Fragen die zur Diskussion gestellt werden gegen ein Eingreifen des Staates plädiert. Das wird sooft passieren, dass ihm das fast zur Gewohnheit wird. Daher begreift er sich als Liberalen. Zweitens wird auffallen, dass sich die Politik nur sehr oberflächlich mit dem beschäftigt, was sie vorschlägt und beschließt.

Exkurs: Die Tatsache, dass man nach utilitaristischen Gesichtspunkten so ziemlich jeden Staatlichen Eingriff verwerfen müsste, ist eine recht interessante Beobachtung, auch dann wenn man über den Utilitarismus längst hinaus gewachsen ist. Zuerst bin ich bei Davids Friedmans Räderwerk der Freiheit darauf gestoßen. Rothbard geht in „Market and Power“ die gängigen Staateingriffe in die Wirtschaft durch und zeigt, dass keiner von ihnen das leisten kann, was er verspricht.

Verblüffender ist, dass diese Koinzidenz von libertären und utilitaristischen Kriterien auch dann gilt, wenn Fragen behandelt werden die man nicht mit Standardökonomie beantwortet werden kann, wie die Prohibition oder Bankfreiheit. Der Zusammenhang ist so ausgeprägt, dass es eine tiefere Ursache geben muss. Die Neoaustrians (Rothbard, HHH) haben sich an einer Begründung versucht, die ich jedoch für zu oberflächlich halte. Einige Ansätze Hayeks halte ich für vielversprechender. Exkurs Ende.

Im besten Fall beginnt ein Wirtschafttechnokrat eine Wertschätzung für liberale Prinzipien, Eigenverantwortung, Rechtssicherheit und individuelle Haftung, zu entwickeln. Er erkennt, dass diese Prinzipien gut dazu geeignet sind Konflikte auch im außerökonomischen Bereich zu lösen. Er geht vom wirtschaftstechnokratischen ins ganzheitliche-liberale Stadium über.

Im ganzheitliche-liberalen Stadium vertieft sich das Vertrauen in die liberalen Prinzipien und die Unzulänglichen der bisherigen Bewertungsmaßstäbe werden dem Liberalen zunehmend deutlich. Sie werden schließlich bewusst verworfen, die Übereinstimmung mit Freiheit, Recht und Eigentum wird zum alleinigen Kriterium zur Beantwortung politischer Fragen. (Bei mir hatte dieser Schritt einen Auslöser, das war als ich das erste Mal mit dem NAP konfrontiert wurde.)

Diese Entwicklung beschreibt recht gut meine eigene Entwicklung. Mich würde interessieren, wie sehr sich die Leser darin widerfinden können. Gibt es Menschen die den direkten Weg zum Liberalismus gefunden haben, die sich nie von den Verlockungen der Politik haben täuschen lassen, sondern direkt von ihren Alltagserfahrungen auf die Werte des Liberalismus schließen konnten?

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3 Antworten to “Vom Wirtschafttechnokraten zum Libertären”

  1. Dirk F. Says:

    Kann es das denn geben? Liberale Überzeugungen sind mE immer das Ergebnis eines Prozesses. Am Anfang des Prozesses muss etwas anderes stehen als an seinem Ende.

    Anders: Konsequenter Liberalismus findet sich mE insbesondere bei deduktiven Denkern, weil er nämlich er – wie Du ja richtig schreibst – auf Prinzipien basiert. Da man als Kind immer erst induktiv lernt, kann man erst nach der Hinwendung zum deduktiven Denken Liberaler werden und nicht als solcher geboren sein.

    Sh. http://erzliberal.blogspot.com/search?q=babies

  2. Rayson Says:

    Der Beitrag erinnert mich, soweit es um die unterschiedlichen Denkweisen geht, etwas an einen, den ich vor langer Zeit mal geschrieben habe: Projektionsirrtümer.

    Was aber den Werdegang angeht: Es ist wahrscheinlich normal, dass man als junger Mensch linkes Denken bevorzugt und/oder zunächst das lernt, was einem in Schule und Medien angeboten wird. Letzteres ist das, was du als „wirtschaftstechnokratisch“ bezeichnest (übrigens glaube ich nicht, dass es das ist, was Linke „neoliberal“ nennen – die meinen eher die Abkehr davon).

    Was mich zum Liberalen gemacht hat, war die Erkenntnis, dass in der landläufigen Ökonomie als Folge der Kritik an „Marktversagen“ der Staat sozusagen als Deus Ex Machina auftaucht (siehe auch – soll mich doch der Spamfilter schlucken ;-) – hier: Luzifer ex machina, der von „Public Choice“ aber gründlich demontiert wurde. Und natürlich eine latente Abneigung gegen Obrigkeiten ;-)

  3. Michel Says:

    @Dirk F: Ja einen Prozess in der Entwicklung zum Liberalen wird es immer geben. Die Frage war auch mehr so gemeint, dass man die frühen Stadien als Unpolitischer durchläuft. Ich meine schon mal von sojemanden gehört zu haben, weiß aber nicht mehr wo.
    Das induktive und deduktive Denken sollte man nicht gegeneinander ausspielen. Was erlernt werden muss ist der kritische und vorsichtige Umgang mit der Induktion. In meinen ganzen Blogprojekt habe ich versucht induktiv-empirische Stützen für liberale Prinzipen zu finden. Das von der ersten Stunde an und das wird auch weiterhin ein Thema bleiben.

    @Rayson: Ja exakt, ich halte das zweckkausale Denken für die Ursache für den, wie du es nennst, Projektionsirrtum.
    Den Begriff wirtschaftstechnokratisch hätte ich besser erläutern sollen. Es geht mir um ein Stadium in dem zwar bereits z.T. liberale Positionen bezogen werden. Das aber weil der Markt im Werkzeugkasten des Sozialkemptners als das geeignetste Instrument erscheint. Die etatistische Gesinnung ist unangetastet geblieben; der Staat wird immer noch für einen Deus Ex Machina gehalten. (Sehr treffender Satz übrigens, muss mich dem in Zukunft häufiger bedienen.)

    Ist eigentlich aufgefallen des die Konstruktivistische Philosophie den Versuch darstellt, sich gegen das wirkungskausale Denken zu immunisieren?

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